Welche Arten von Social-Media-Krisen Unternehmen auf dem Radar haben sollten
Eine Marke steht im Netz einer Vielzahl von kritischen Themen gegenüber. Das kann die Ein-Sterne-Review einer Kundin auf Amazon sein. Das sind negative Stimmen zu einer Produktneueinführung. Das kann der aufgeregte Anruf im Call-Center sein. Unternehmen stehen vor der Herausforderung, diese kritischen Themen stets im Auge zu behalten und fortlaufend in ihrer Relevanz einzuschätzen.
Social Media hat den Markendialog auf eine neue Ebene geführt. Denn Informationen verbreiten sich rasant und Unternehmen behalten durch moderne Tracking-Software darüber den Überblick. Die Herausforderung ist es jedoch, in der Kommunikation zwischen Meinungsäußerungen, fundierten Aussagen und Frustausbrüchen zu unterscheiden. Bei welchen Themen müssen Marken aktiv werden?
Issues und kritische Themen
Unter einem Issue werden aufkommende Themen oder Angelegenheiten bezeichnet, mit welcher sich eine Organisation auseinandersetzen muss. Kann das Unternehmen das Thema in gewohnter Manier bearbeiten, ist es „business as usual“. Nicht jeder Aspekt kann oder sollte unter der Maßgabe einer Krisenbewältigung betrachtet werden, da dadurch die Prozesse überfordert werden können – jedoch bedürfen auch Issues eines fortlaufenden Monitorings.
Kritische Themen stören den alltäglichen Arbeitsablauf. Ein Beispiel: Die Beschwerde einer Kundin ist ein Issue. Sie kann jedoch zu einem kritischen Thema werden, sollte die Kundin ihre Entrüstung in Social Media breit machen, dort durch weitere Medien Unterstützung erhalten und dadurch ihrem Anliegen eine hohe Schlagkraft verleihen.
Auch ein Social Media Shitstorm, der über das Unternehmen herzieht, wird zum kritischen Fall, denn er ist eine breite öffentliche Entrüstung. Selbst wenn die Kommentare vom eigentlichen Thema abweichen, setzt er das Unternehmen unter Druck, denn die geballte öffentliche Meinung muss mit hoher Priorität getrackt und aufmerksam überwacht werden.
Beide Beispiele – die Kundin, welche Zuspruch über Social Media findet, sowie der Shitstorm – sind zwar kritische Fälle, müssen aber nicht zwangsläufig eine Social-Media-Krise darstellen. Werden kritische Themen jedoch nicht gezielt adressiert, besteht die potenzielle Gefahr einer Social-Media-Krise.
Social-Media-Krisen
Krisen führen im Unternehmen zu einem empfindlichen Handlungsdruck, oftmals unter außergewöhnlichen Prozessen, wie z.B. dem Einsatz eines Krisenstabs und der Involvierung des Top Management. Denn auf Lösungsmuster kann oftmals nicht zurückgegriffen werden. So muss das Unternehmen am Fall lernen, während die Öffentlichkeit wiederum einen großen Druck von außen aufbaut. Das kann, wenn nicht ordentlich angegangen, das Unternehmen lähmen und langfristigen Schaden hervorrufen.
Social-Media-Krisen können sprunghaft, schleichend und mit Ansage aufkommen. Die folgenden Beispiele illustrieren sie.
1. Die sprunghafte Social-Media-Krise: Rassistische Beleidigungen bei Schalke
Kritische Themen können „sprunghaft“ aufkommen, wenn ein Thema mit markenschädigender Thematik in kurzer Zeit Entrüstung, hohe Emotionalität und große Reichweiten erzeugt. Ein Beispiel dafür erlebte Schalke 04, als ein Rassismusskandal das Derby zwischen den U-19-Mannschaften von Borussia Dortmund und Schalke 04 überschattete.
Der Fußballverein setzt sich seit Langem aktiv gegen Ausgrenzung und Diskriminierung ein und machte jüngst auch unter dem Hashtag #stehtauf mit einer Aktionswoche gegen Rassismus stark.
Das eigene Bild der Marke und Verhaltensweisen der Fans klaffen jedoch stellenweise weit auseinander. Laut VICO-Studie zeigen Schalke-Fans die höchste Beleidigungsquote unter allen Vereinen. Und als der 15-jährige Spieler Yousouffa Moukoko bei besagtem Derby-Spiel drei Tore schoss, wurde er von einigen Schalke-Fans übel beleidigt. So sind in einem Livestream, der über Twitter geteilt wurde, gewaltverherrlichende Ausrufe zu hören. Große Zeitschriften reagierten prompt und berichteten, wie z.B. der Stern und die Zeit. Der FC Schalke zog Konsequenzen und entschuldigte sich bei dem Spieler.
Schalkes #stehtauf-Kampagne
2. Die schleichende Social-Media-Krise: Bedenken an autonomem Fahren
Autonomes Fahren ist eines der großen Zeitgeist-Themen. In Amerika fahren unlängst erste „Roboterautos“ des Technologieherstellers Waymo. Auch Daimler lässt in den USA einen Mitfahrservice autonom im Silicon Valley pendeln. Ähnlich wie bei Waymo sitzt hier noch Sicherheitspersonal im Auto, um im Zweifelsfall eingreifen zu können. „Es ist zu erwarten, dass automatisierte und autonome Fahrzeuge einen positiven Einfluss unter anderem auf die Verkehrssicherheit und auf die Reduktion von Emissionen haben werden.“ schreibt der Autokonzern auf seiner Seite.
Die zukünftige Nutzerschaft steht dem Thema jedoch mehrheitlich negativ gegenüber. Eine VICO-Studie zum Thema autonomes Fahren zeigt, dass rund 53 Prozent aller analysierten, wertenden Beiträge negativ sind. Top-Themen sind z.B. die Gefahren und Grenzen von technischen Systemen, die Angst vor Hackerangriffen sowie die Frage, was mit dem Fahrzeug in einem Funkloch passiert.
Krisen können „schleichend“ aufkommen, wenn sich mitunter komplexe Prozesse durch längerfristige Entwicklungsgeschichten auszeichnen und dabei Schritt für Schritt brisanter und reichweitenstärker werden. Die Kommunikation rund um das autonome Fahren ist längst da. Sollten die Autobauer nicht frühzeitig auf die Bedenken der Käuferschaft eingehen und sie umfassend bei diesem Thema mitnehmen, können sich zukünftig kommunikative Krisenherde auftuen, welche derzeit noch vereinzelt brodeln und aufkochen.
Daimler ist laut eigener Unternehmenswebsite Vorreiter beim automatisiertem Fahren
3. Die Krisen mit Ansage - Technische Probleme im Smart Home
Eine VICO-Analyse zum Thema Smart Home zeigt, dass die Nutzerschaft im Netz ihr gegenüber überwiegend negativ eingestellt ist. 64 Prozent aller analysierten, wertenden Beiträge zeigen darin negative Konnotation. Dabei sind es oftmals auf den ersten Blick profane Probleme, welche die Käuferschaft erbost, bzw. Interessierte vom Kaufen abhält: Installationsprobleme, Kompatibilitätsschwierigkeiten, Datenschutz.
Auf diese Themen können sich Smart-Home-Anbietende oftmals gut einstellen, versuchen, Ängste zu nehmen und sich auf mögliche kritische Kommunikation einstellen. Denn sie sind kritische Themen „mit Ansage“, die negativen Reaktionen sind vorhersehbar und treten in Intervallen auf, z.B. wenn ein technisches News-Format sich ähnlich kritisch äußert und das durch die Netzgemeinschaft verbreitet wird.
Das Problem ist jedoch, dass auch Themen, die wiederkehrend sind, als Krise oftmals einzigartig verlaufen und fallbezogenen behandelt werden müssen. Deshalb ist ein durchgehendes Monitoring auch von bekannten Themen wichtig – um neue Fragestellungen zu identifizieren und neuartige Tendenzen aufzuzeigen.
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Gefrustete Mienen bei der Installation sind Hauptanlass für negative Meldungen in Social Media beim Thema Smart Home