“Social Media Monitoring hat den Vorteil, unvoreingenommen an ein Thema ranzugehen. Da es sich um ein offenes und nicht standardisiertes Verfahren handelt, können blinde Flecken aufgedeckt werden.”
So die Meinung von Christoph Geier, Research Spezialist bei VICO Research & Consulting GmbH.
Was würdest du Unternehmen raten, die noch Zweifel an der Aussagekraft von Insights aus Social Media haben?
Ich würde ihnen sagen, dass sowohl Social-Data-Analysen als auch die klassische Marktforschung ihre Vor- und Nachteile haben. Wann welche Methode herangezogen werden sollte und wann eine Kombination der beiden Methoden Sinn macht, hängt stark von der individuellen Fragestellung ab.
Wichtig ist hierbei, sich immer jeweils die Grenzen der beiden Methoden vor Augen zu führen: So sind im Falle von Social-Media-Analysen nicht alle sozialen Gruppen im Internet aktiv. Somit kann keine Hochrechnung der Ergebnisse auf die Grundgesamtheit erfolgen. Darüber hinaus fallen Kundenbewertungen online generell negativer aus als bei klassischer Marktforschung. Das liegt schlicht und einfach daran, dass sich User tendenziell dann im Netz äußern, wenn sie sich über etwas beschweren wollen oder unzufrieden sind.
Nichtsdestotrotz muss sich Social Media Monitoring nicht vor der klassischen Marktforschung verstecken. Dafür kann ich ein kurzes Beispiel aus dem Automobilbereich geben. Hier unterstützen wir häufig das Qualitätsmanagement, beziehungsweise die Qualitätssicherung. So reproduzieren wir dort regelmäßig die Ergebnisse sogenannter Early-Buyer-Studien und identifizieren zusätzlich weitere Themenaspekte, die durch Methoden der klassischen Marktforschung nicht entdeckt wurden. Das liegt daran, dass wir nicht auf bestimmte Themenaspekte eingeschränkt suchen oder Nutzerbefragungen durchführen. So lassen sich auch blinde Flecken, also Themen, die durch die klassische Marktforschung nicht erfasst werden, entdecken.
Wichtig ist somit immer die individuelle Fallbetrachtung, um auszuloten, wie man im Hinblick auf die jeweilige Problemstellung die klassische Mafo mit den Vorteilen, die Social-Media-Analysen bieten, ideal verknüpfen kann.
Wie genau könnte eine Kombination aus Social Data und klassischer Mafo aussehen?
Im Idealfall liefern die Informationen aus Social Media eine ergänzende Perspektive zu den Informationen aus der klassischen Mafo. Durch diesen zusätzlichen Blickwinkel lässt sich ein weitaus besseres Verständnis für das untersuchte Problem entwickeln und Verbesserungsmaßnahmen effizienter und effektiver ableiten.
Wichtig ist hierbei, das gleiche Kategorienschema in Social Media wie auch in der klassischen Marktforschung zu verwenden, um die Ergebnisse später zusammenführen zu können. Hier haben wir in der Automobilbranche bei der Markteinführung neuer Fahrzeugmodelle bereits gute Erfahrungen gesammelt. Unser Kunde hat uns Aussagen aus Händler- und Kundenbefragungen zum neuen Modell zur Verfügung gestellt, die wir analog zu unserem fortlaufenden Social Media Monitoring kategorisiert und anschließend zusammengefügt haben. Damit konnten die Datengrundlage erweitert und unsere Ergebnisse aus dem Social Media Monitoring anhand von Befragungsdaten verifiziert werden.
Wie verhält es sich dann mit den Kosten, wenn man beide Methoden nutzen möchte?
Der Vorteil liegt darin, dass Social Analytics den klassischen Marktforschungsprozess unterstützen und beschleunigen kann. Gerade in der qualitativen Mafo ist es sehr kosten- und zeitaufwendig, die wichtigen Themen und Fragestellungen zu identifizieren. Offene Interviews und Gespräche müssen geführt und anschließend ausgewertet werden. Social Data kann in diesem Fall helfen, einen grundlegenden Einblick in die Thematik zu erlangen und bereits erste Schnelltests durchzuführen. Wenn konkrete Fragestellungen abgeleitet wurden, kann in die quantitative Mafo übergegangen werden. Klassische Methoden wie die Befragungen erzielen mit ihrem starren und standardisierten Rahmen detailliertere Ergebnisse zur Quantifizierung. Dieser kombinierte Prozess führt im idealen Fall sogar dazu, dass Kosten eingespart werden können.
Hier fällt mir ein griffiges Beispiel aus der Reputationsforschung ein. Um herauszufinden, was überhaupt zu einer Marke gesprochen wird, haben wir zuletzt eine Status-quo-Analyse im Social Web durchgeführt. Die dort identifizierten Themen lassen sich daraufhin in einen Fragebogen übersetzen. So können die Ergebnisse des Social Media Monitorings über klassische Methoden der Marktforschung quantifiziert werden. Anschließend lässt sich durch die Kombination aus Social Media Monitoring und klassischen Methoden eine fundierte Studie zur Markenreputation erstellen. Das Unternehmen spart sich in diesem Fall jedoch die aufwendige Themenidentifikation über eine qualitative Studie.
Wie sieht der Trend für die Zukunft aus? Kann man behaupten, dass Marktforschung mit Social Media ein Must-have sein wird?
Das kommt ganz klar auf den Use Case an. Insgesamt würde ich sagen: Ja. Der Trend geht immer mehr in Richtung Smart Data, also große, qualitativ hochwertige Datenmengen, die im Unternehmen neuen Nutzen stiften können. Ebenso hat sich gezeigt, dass Social Media besonders bei kontroversen Themen, wie z. B. Trump oder dem Brexit, bessere Ergebnisse liefern kann als klassische Methoden. In diesen Fällen scheint Soziodemografie also vernachlässigbar zu sein und durch die vorher beschriebenen Vorteile von Social Media überlagert zu werden. Insgesamt schließen sich Social Media Monitoring und klassische Marktforschung jedoch nicht aus und sollten daher nicht als Konkurrenten, sondern sinnvolle Ergänzungen verstanden und genutzt werden.
Christoph Geier arbeitet seit 2014 bei VICO Research & Consulting GmbH als Research-Analyst und Consultant. Hier ist er insbesondere für die Kunden aus der Automobilbranche zuständig und kümmert sich unter anderem um das Projektmanagement und die Kundenberatung und -betreuung. Bereits im Rahmen seiner beiden Studienabschlüsse hat er sich intensiv mit dem Thema Kommunikation und Marktforschung auseinandergesetzt.